Wieder mal dicke Luft im Buchhandelsgeschäft, und wieder ist der amerikanische Online-Versandhandelsriese Amazon der Buhmann – und der Verlag Bastei Lübbe. Was ist geschehen? Die Amazon-Kunden unter Ihnen haben es vielleicht mitbekommen: Vom 8. bis zum 14. Januar 2016 bot Amazon.de das e-Book „Illuminati“ von Dan Brown aus dem besagten Kölner Verlag Bastei Lübbe kostenlos zum Download an. Eine Aktion, die Öl ins Feuer gießt und den schwelenden Konflikt zwischen dem traditionellen deutschen Buchhandel und dem Online-Riesen aus Seattle zum wiederholten und sicher nicht zum letzten Male anheizt.

 

Die Buchhandels-Verbände sind nicht amüsiert

Der Sortimenter-Ausschuss des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sowie der Arbeitskreis unabhängiger Sortimente beklagten sich bitterlich und interpretierten die Aktion von Bastei Lübbe als das „Sägen an einer über Jahrzehnte gewachsenen Partnerschaft, deren Belastbarkeit endlich ist“. Auch die Initiative „Buy Local“ stieß ins gleiche Horn und beendete die Partnerschaft mit den Kölnern wegen Differenzen aufgrund wiederkehrender Marketingaktivitäten des Verlags mit Amazon.

 

Buchhandlung Ravensbuch – The Master of Empörung

Den Hauptpreis für die allergrößte Empörung in dieser Sache geht aber zweifelsohne an die Buchhandlung Ravensbuch aus Ravensburg. In einem Kommentar im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels verurteilt Geschäftsführer Michael Riethmüller die Partnerschaft zwischen Amazon und Bastei Lübbe aufs Schärfste und straft den nicht linientreuen Verlag auch direkt ab: Ein vereinbarter Vertreterbesuch wurde abgesagt, sämtliche Vormerkungen der Lübbe-Gruppe wurden storniert, es werden keine Titel mehr beim Verlag bestellt, und das, was noch auf Lager ist, wird nicht mehr auffällig präsentiert, sondern in die Regale verbannt. Nimm das, Bastei Lübbe!

 

Die Amazon-Philosophie: Der Kunde steht im Mittelpunkt

Amazon-Bashing ist ja heutzutage ein recht beliebter Sport, und wenn man gewissen Kreisen glauben darf, dann ist Inhaber und Gründer Jeff Bezos niemand anderes als der Teufel persönlich. Wir wollen heute an dieser Stelle nicht klären, ob die vielen Vorwürfe gegen Amazon berechtigt sind. Aber ich möchte mit Ihnen teilen, was eine Managerin von Amazon Deutschland in München mir kürzlich erzählte. Sie sagte ungefähr folgendes: „Bei aller Kritik darf man nicht vergessen, dass bei allem, was wir tun, nur eine Frage im Vordergrund steht: Was nützt es dem Kunden?“. Dazu passt auch, was kürzlich im Magazin der Süddeutschen Zeitung in einem Artikel über den Amazon-Chef stand: „Bezos verkündete einmal, er habe mit seinem Management 141 Ziele vereinbart: 138 Produktziele und drei Finanzziele. Üblicherweise ist es umgekehrt: Konzerne stecken sich Finanzziele – Gewinne, Rendite, Dividende – und passen das Produkt darauf an“.

Der Konflikt wird auf dem Rücken des Kunden ausgetragen

Schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt nochmal die Strafmaßnahmen der Buchhandlung Ravensbuch an und fragen uns: Was nützt es dem Kunden? Die Antwort lautet: Nichts. Im Gegenteil, es schadet sogar dem Buchkäufer, der die Hintergründe wahrscheinlich gar nicht kennt. Er muss den Bestseller aus dem Bastei Lübbe Verlag jetzt aufwendig suchen, weil er nicht mehr vorne auf dem Bestseller-Tisch präsentiert wird. Er muss ein Buch jetzt bestellen, weil es die Buchhandlung nicht mehr auf Lager hat. Das bedeutet ein bis zwei Tage Wartezeit und noch mal vorbeikommen. Ernsthaft, liebe Ravensbuch-Buchhandlung, das ist Eure Art, den Kampf gegen den Onlinehandel auszutragen? Mit Maßnahmen, die Euren Kunden Verdruss bringen und sie direkt in die Arme des gefürchteten Rivalen treiben?  Und das alles nur, um einen Verlag, der aus der Reihe tanzt, zu disziplinieren? Gestatten Sie mir die Frage: Seid Ihr eigentlich noch ganz bei Trost?

 

Vom Rivalen lernen

Bei aller Sympathie für den lokalen Handel, speziell für den Buchhandel: So wird der Kampf gegen den Online-Giganten nicht gewonnen werden können. Denn der Kunde entscheidet am Ende, und er wird sich nicht für den Händler entscheiden, der es ihm so schwer wie möglich macht. Und da bin ich ganz der Meinung von Klaus Kluge, dem Vorstand der Bastei Lübbe AG. In seinem Börsenblatt-Kommentar zur Illuminati-Affäre schreibt er: „Wo der Kauf stattfindet, wo sich der Kunde am besten aufgehoben fühlt, entscheidet allein er.“ Und wenn er sich für den stationären Buchhandel entscheiden soll, dann sollten die Buchhändler statt zu jammern und zu lamentieren vom Rivalen lernen, und den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Das ist so schwer nicht.