„Extreme Trust – Honesty as a Competitive Advantage“ heißt ein Buch des amerikanischen Management-Beraters Don Peppers, den ich auf der Direct Marketing Association Conference 2012 in Las Vegas kennengelernt habe. Don erzählte damals eine erstaunliche Geschichte, die sich auch in seinem Buch wiederfindet:

 

Die Versicherung, die Geld an ihre Kunden verschenkt

Es geht dabei um den amerikanischen Versicherungskonzern USAA. Gegründet wurde das Unternehmen 1922 von Ex-Soldaten mit dem Ziel, Versicherungen für Angehörige der Streitkräfte anzubieten. Diese hatten – aufgrund ihres risikoreichen Berufes – große Schwierigkeiten, bei anderen Versicherungen unterzukommen. Und obwohl sich heutzutage auch jeder andere bei USAA versichern lassen kann, so bilden Soldaten immer noch eine sehr große und wichtige Zielgruppe.

1991 startete die USAA eine ungewöhnliche Aktion: Sie verschickte einige tausend Briefe an Mitglieder, die während des ersten Golfkrieges im Irak im Einsatz waren. In den Umschlägen befanden sich Rückerstattungsschecks für die Autoversicherung. Die Versicherer argumentierten sinngemäß so: „Während Du als Soldat im Irak warst, kannst Du ja wohl kaum Dein Auto gefahren haben, also ist es nicht fair, dass wir Dir Geld für die Versicherung abgeknöpft haben. Mit beiliegendem Scheck möchten wir Dir das Geld zurückerstatten.“

 

Ein Unternehmen, das die Kunden lieben

Versetzen Sie sich jetzt mal in die Lage der versicherten Soldaten: Würden Sie das nicht absolut fair, ehrlich und großartig finden? Würden Sie nicht auch sagen: So sollte jeder Versicherungskonzern seine Kunden behandeln? Und würden Sie nicht dieser Versicherung die Treue halten, selbst wenn sie ein bisschen teurer sein sollte als die Konkurrenz? Und tatsächlich war die Reaktion der USAA-Kunden entsprechend extrem positiv. Etwa 2.500 der angeschriebenen Soldaten schickte den Scheck sogar wieder zurück. Sie waren dankbar, verzichteten aber auf das Geld und baten stattdessen um Unterstützung und schnelle Hilfe im Fall der Fälle, wenn es darauf ankommt. „Wie soll man mit einem Unternehmen konkurrieren“, so schreibt Don Peppers in seinem Buch, „das von seinen Kunden so sehr geliebt wird, dass diese die Annahme von Erstattungs-Schecks verweigert?“

 

Eine Investition, die sich lohnt!

Natürlich hat diese Aktion die USAA – trotz der 2.500 zurückgeschickten Schecks – richtig Geld gekostet. Aber diese Investition hat sich mehr als gerechnet. Denn Kunden, die einem Unternehmen vertrauen, sind die besten und wertvollsten Kunden, die man sich vorstellen kann. Und Kunden durch Ehrlichkeit und Transparenz zu echten Fans zu machen ist definitiv billiger, als Kunden zurückzugewinnen, deren Vertrauen man enttäuscht hat.

 

Der Durchschnitts-Kunde ist misstrauisch – das ist Ihre Chance!

Ehrlichkeit ist im modernen Geschäftsleben ein Wert, der nicht viel Bedeutung zu haben scheint. Jeder ist misstrauisch und befürchtet, vom anderen übers Ohr gehauen zu werden. Das gilt insbesondere auch für Konsumenten und Verbraucher: „Rabatte? Klar, die haben ja vorher die Preise kräftig hochgesetzt! Kostenlose Testphase? Jaja, und wenn ich nicht rechtzeitig Bescheid sage, habe ich gleich einen Knebel-Abovertrag an der Backe.“

Dieses zum Teil berechtigte Misstrauen macht es schwierig, Ihren Kunden davon zu überzeugen, dass Sie nicht so sind. Aber gleichzeitig ist das auch eine ganz große Chance; denn in einer Welt, in der gefühlt jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, können Sie sich über Ehrlichkeit, Transparenz und Vertrauen ein echtes Alleinstellungsmerkmal schaffen.

 

Die Geschichte von Herrn Wüterich und Herrn Besonnen

Da fällt mir noch eine Geschichte ein, die ich selber erlebt habe: Während meiner Zeit als Produktmanager in einem Fachverlag hatten wir zwei Produktioner in unserem Verlag, deren Aufgabe es war, Druckereien zu finden und zu beauftragen, die dann unsere Produkte druckten. Manchmal ging bei diesem Prozess etwas schief, die Druckereien machten Fehler oder konnten nicht rechtzeitig liefern. Während der eine Produktioner – nennen wir ihn Herrn Wüterich – gleich „Mängelrüge!“ und „Regressanspruch!“ schrie, sagte der andere – er hieß glaube ich Herr Besonnen – zu den Druckern: „Kann mal passieren, das bekommen wir schon irgendwie wieder hin…“ Und jetzt dürfen Sie raten. Wenn es mal richtig eng wurde, und ein Auftrag nur dann noch zu schaffen war, wenn die Druckerei am Wochenende durcharbeiten würde: Welcher von beiden hat es wohl geschafft, die Druckerei zu diesem Opfer zu bewegen?

 

Zeigen Sie Ihren Kunden, dass sie Ihnen vertrauen können

Mein Rat an Sie: Denken Sie, wenn es um die Beziehung zu Ihren Kunden geht, immer langfristig. Wollen Sie JETZT das schnelle Geld? Oder wollen Sie eine dauerhafte Geschäftsbeziehung, von der Sie noch Jahre profitieren? Seien Sie kulant, verschenken Sie auch mal was. Gerade am Beginn einer Geschäftsbeziehung ist es wichtig, in Vorleistung zu treten. Bieten Sie eine kostenlose Erstberatung an oder eine Gratis-Produktprobe. Und auch, wenn der Kunde Ihr Angebot nicht annimmt, so wird er doch mit einem guten Gefühl an Sie und Ihr Unternehmen denken, und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt auf Sie zurückkommen. Und vor allem wird er nicht in seinem Bekanntenkreis von schlechten Erfahrungen mit Ihnen berichten.

Ach übrigens: All das gilt natürlich nicht nur für den Umgang mit Kunden, sondern natürlich auch für Geschäftspartner oder Mitarbeiter. Und ja, sogar für die eigene Familie – zumindest jetzt in der Adventszeit…

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